Nicolas Schmit au sujet de la réforme de l'Adem

Luxemburger Wort: Herr Minister Schmit, auf nationaler Ebene verzeichnet Luxemburg momentan Höchststände bei der Arbeitslosigkeit. Gleichwohl schneiden wir im europäischen Vergleich gut ab. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

Nicolas Schmit: In ganz Europa ist die Zahl der Arbeitsiosen bis auf wenige Ausnahmen - etwa in Deutschland stark gestiegen. Es ist aber nicht nur die wirtschaftliche Krise, die zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. Auch die Politik zur Krisenbewältigung trägt zum Anstieg bei. Was die Bekämpfung der Krise anbelangt, sind wir auf dem falschen Weg. Wir reden nur darüber, dass die Neuverschuldung nicht höher als drei Prozent sein darf, wir reden aber nicht darüber, dass zur Zeit zwölf Prozent der Menschen in Europa keine Arbeit haben. Dass Luxemburg in der Statistik an dritter Stelle liegt, erfüllt mich zwar mit einer gewissen Genugtuung, doch das ist kein Trost. Wir schneiden u.a. deshalb besser ab, weil trotz Krise weiterhin Stellen geschaffen werden. Zwischen April 2012 und April 2013 wurden etwa 5000 neue Jobs geschaffen. Gleichzeitig sind aber auch 2 000 Arbeitsuchende hinzugekommen. Und die Zahl der Grenzgänger ist ebenfalls um 2 000 Personen gestiegen. Die Zahl der offenen Stellen bleibt hingegen recht konstant. Dass die Zahl der Erwerbslosen weiter ansteigt, obwohl der Arbeitsmarkt weiter dynamisch bleibt, ist darauf zurückzuführen, dass die Profile der Arbeitsuchenden nicht mit den Anforderungen der Unternehmen übereinstimmen. Eine zweite Ursache liegt in der demografischen Entwicklung. Die Bevölkerung in Luxemburg ist im vergangenen Jahr um 10 000 Personen angestiegen. Diese an und für sich positive Entwicklung führt dazu, dass die Luxemburger auf dem Arbeitsmarkt längst in der Minderheit sind, sie stellen nur noch knapp 30 Prozent der Arbeitnehmer. Nur 29 Prozent der Erwerbslosen haben einen luxemburgischen Pass.

Luxemburger Wort: Obwohl wir auf europäischer Ebene insgesamt gut abschneiden, liegen wir bei der Jugendarbeitslosigkeit bestenfalls im Mittelfeld. Worauf führen Sie diesen Unterschied zurück?

Nicolas Schmit: Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit muss oberste Priorität haben. In Luxemburg haben zur Zeit etwa 2 000 junge Menschen unter 25 Jahren keine Arbeit, das sind 2 000 Jugendliche zu viel. Die Hauptursache für diese Entwicklung ist die fehlende Qualifikation. Etwa 60 Prozent der Arbeitslosen unter 25 Jahren haben keine oder nur eine ungenügende Ausbildung. In dem Bereich gibt es große Defizite. Deshalb müssen wir bei der Ausbildung ansetzen. Dazu gehört auch die berufliche Orientierung, die noch verbessert und verstärkt werden muß. Was die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit anbelangt, möchte ich daran erinnern, dass wir die verschiedenen Maßnahmen unlängst reformiert haben, damit sie zu einem effizienten Instrument werden, das die Jugendlichen beim Start ins Berufsleben begleitet. Wir sind zudem dabei, die "garantie jeunes" in die Praxis umzusetzen. Wir können nämlich nur Erfolg haben, wenn wir die Jugendlichen anständig begleiten. Dazu brauchen wir aber auch die erforderlichen Mittel, um die Adern gut aufzustellen. Denn eine effiziente Betreuung der Arbeitslosen, ob jung oder alt, ist und bleibt personalintensiv.

Luxemburger Wort: Premierminister Juncker hat in seiner Rede zur Lage der Nation 25 zusätzliche Mitarbeiter für die Adern in Aussicht gestellt...

Nicolas Schmit: Das stimmt, doch es ist noch immer nichts passiert. Dabei sind 25 zusätzliche Mitarbeiter das absolute Minimum. Es darf nicht sein, dass die Besetzung der zugesagten Stellen irgendwo blockiert wird. In Luxemburg kommen 300 Arbeitsuchende auf einen Berufsberater, in der Schweiz liegt das Verhältnis bei 1:120, in Deutschland gar bei 1:100. Wir können nicht weiter vor uns hin vegetieren, wie wir dies in den letzten Jahren getan haben. Ich bin mit meiner Geduld am Ende!

Luxemburger Wort: Wie sind Sie insgesamt mit dem Fortgang der Adern-Reform zufrieden?

Nicolas Schmit: Insgesamt bin ich zufrieden. Ich bin auch sehr zufrieden mit der neuen Führung. Frau Schlesser, Frau Wagner und Herr Tewes bilden ein starkes Team, sie ziehen an einem Strang. Doch ich bin mir auch bewusst, dass sie keine Wunder bewirken können. Die Adem-Reform steht und fällt nämlich mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Damit meine ich sowohl die personellen Ressourcen wie auch die strukturellen Mittel, sprich die Räumlichkeiten. Was die Gebäude anbelangt, haben wir vor allem in der Hauptstadt gravierende Probleme. Es kann nicht sein, dass überall im Land Prunkbauten stehen, während die Adem mit Platzproblemen zu kämpfen hat. Wenn wir eine Reform haben wollen, dann müssen wir uns auch bewusst sein, dass sie Geld kostet. Handlungsbedarf besteht u.a. beim Umgang mit den Arbeitgebern. Sie brauchen einen Ansprechpartner. Die Adem verfügt zwar über elf "Consultants", die für die einzelnen Branchen zuständig sind. Allerdings müssen wir diesen Bereich noch besser organisieren. Auch hier fehlt übrigens weiterhin ein Mitarbeiter, den wir seit längerem angefragt haben! Auch im EDV-Bereich müssen wir aufrüsten, die Informatik wurde lange vernachlässigt. Beispielsweise muss das Internetportal dringend modernisiert werden. Die Adern-Reform muss dazu führen, dass der Kunde - Arbeitsuchende wie Arbeitgeber - in den Mittelpunkt gestellt wird. Wir haben jahrelang die Erwerbslosen wie die Unternehmer nur verwaltet. Ein derartiger Mentalitätswandel lässt sich aber nicht von heute auf morgen bewältigen, es handelt sich um einen Prozess. Mit dem, was wir bislang erreicht haben, bin ich aber zufrieden. Unser Ziel muß es sein, aus der Adem einen effizienten öffentlichen Dienstleister zu machen, der auf die Bedürfnisse seiner Kunden - Arbeitssuchende wie Arbeitgeber eingeht.

Luxemburger Wort: Zurück zu den Statistiken. Je nach Quelle können sie unterschiedlich ausfallen. Wie verlässlich ist das Zahlenmaterial?

Nicolas Schmit: Bei den Statistiken muss man Vorsicht walten lassen, vor allem im internationalen Bereich. Auf europäischer Ebene liegt Deutschland beispielsweise sehr gut. Doch man muss auch wissen, dass es in Deutschland zwischen drei und vier Millionen prekäre Arbeitsplätze gibt. So werden z.B. die Empfänger von Hartz 4 nicht in der Arbeitslosenstatistik geführt. Das gleiche gilt auch bei der Jugendarbeitslosigkeit. Man muss also vorsichtig sein, wenn man die Zahlen vergleicht. Die unterschiedlichen Berechnungsmethoden erklären einiges, sie sind aber keine Entschuldigung.

Luxemburger Wort: Die Beschäftigungsinitiativen kommen nicht aus den Schlagzeilen. Wie wollen Sie weiter vorgehen? Wir brauchen die Beschäftigungsinitiativen, daran besteht kein Zweifel. Allerdings ist in dem Bereich in den letzten Jahren manches aus dem Ruder gelaufen. Auch im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit dürfen wir das Geld nicht zum Fenster hinaus werfen. Das, was beim "Objectif plein emploi" passiert ist, ist einfach ein Trauerspiel. Wir haben der OPE-Führung immer wieder gesagt, dass sie sich neu aufstellen müssen, dass sie die Initiative reformieren müssen und dass sie demokratischer werden müssen. Man kann sich nicht auf die Solidarwirtschaft berufen und gleichzeitig die Basis ausschließen und keine Mitbestimmung zulassen. Das Aus des OPE hätte vermieden werden können. ProActif steckte auch in großen Schwierigkeiten, doch die aktuelle Führung hat reagiert. Hätten Präsident Conter und Direktor Schmit nicht die Notbremse gezogen, hätte Pro-Actif das gleiche Schicksal ereilt wie das OPE. Es war die desolate Geschäftsführung und die fehlende Transparenz, die zum Untergang des OPE geführt haben. Was die Beschäftigungsinitiativen insgesamt anbelangt, brauchen wir klare Regeln, Transparenz und Kontrollen.

Luxemburger Wort: Die Audits haben lediglich die finanzielle Seite der Beschäftigungsinitiativen untersucht. Müsste man die Initiativen nicht auch auf ihre Effizienz hin überprüfen?

Nicolas Schmit: Die Initiativen müssen sich daran messen lassen, ob es ihnen gelingt, die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Forschungsinstitut Ceps-Instead wird deshalb bis Ende des Jahres eine qualitative Bewertung vornehmen. Bei ProActif haben im vergangenen Jahr beispielsweise knapp 50 Personen einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Nun kann man sagen, das sei nicht viel, aber es ist besser als nichts. Was die Zielsetzung anbelangt, will ich unterstreichen, dass die Beschäftigungsinitiativen und die Solidarwirtschaft nicht deckungsgleich sind, auch wenn es gewisse Überschneidungen gibt. Wir müssen aber auch das Problem des unlauteren Wettbewerbs ernst nehmen. Es kann nicht sein, dass wir über den Weg der Initiativen versuchen, mit staatlichen Geldern Erwerbslose auf den Arbeitsmarkt zurückzuführen, dadurch aber auf der anderen Seite Stellen in Gefahr bringen.

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