"Keine konkreten Vorschläge", Nicolas Schmit au sujet des modifications législatives en matière de politique d'asile

Luxemburger Wort: Mit dem Gesetzentwurf 6218 wird die sogenannte Rückführungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Welche Neuerungen enthält der vorliegende Text gegenüber der bestehenden Gesetzgebung?

Nicolas Schmit: Wie der Name es bereits andeutet, regelt die Richtlinie vor allem die Rückführung der Flüchtlinge in ihre Heimatländer. Einige Punkte sind in Luxemburg bereits im Asyl- bzw. im Immigrationsgesetz festgeschrieben. In Zukunft werden Asylbewerber, deren Antrag endgültig abgelehnt wurde, und Menschen, die sich illegal im Land aufhalten, gleich behandelt, wenn sie in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Die Prozedur der Rückführung wird die gleiche sein. Abgelehnte Aslybewerber müssen in Zukunft das Land nach 30 Tagen verlassen. In Ausnahmesituationen, etwa im Krankheitsfall, kann der zuständige Minister einen Aufschub gewähren. Der Gesetzentwurf regelt aber auch die Sicherheitsverwahrung, so wie dies in der EU-Richtlinie vorgesehen ist. Die Richtlinie weist ausdrücklich daraufhin, dass die Sicherheitsverwahrung nur in Ausnahmefällen angewandt werden soll, und dass Alternativen zurückbehalten werden müssen. Dem trägt der Gesetzentwurf Rechnung. Als Alternative ist beispielsweise eine Art Hausarrest vorgesehen. Das neue Gesetz regelt darüber hinaus die Hilfsangebote, die den Flüchtlingen bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer zustehen.

Luxemburger Wort: Der Flüchtlingsrat und die Asti sehen den vorliegenden Text in ihren Gutachten recht skeptisch. Haben Sie Verständnis für die Kritik?

Nicolas Schmit: Die Rückfiihrungsrichtlinie wurde von Anfang an sehr kontrovers diskutiert. In Luxemburg wird nun vor allem kritisiert, dass wir die maximale Dauer der Sicherheitsverwahrung um einen Monat auf nunmehr vier Monate verlängert haben. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die EU-Richtlinie eine Dauer von zwölf Monaten zulässt. Ich bin mir aber auch durchaus bewusst, dass Personen, die nach drei Monaten nicht mit uns zusammenarbeiten, auch nach vier Monaten nicht freiwillig in ihre Heimat zurückkehren werden. Wir können nicht auf die Sicherheitsverwahrung verzichten. Der Flüchtlingsrat plädiert zudem für eine flexiblere Handhabung bei den humanitären Ursachen. Ich bin mir bewusst, dass humanitäre Gründe immer eine heikle Angelegenheit sind.

Luxemburger Wort: Wann wird das neue Centre de rétention den Betrieb aufnehmen?

Nicolas Schmit: Die Arbeiten sind soweit abgeschlossen. Zurzeit absolvieren die Mitarbeiter eine spezielle Ausbildung. Im Juni soll das Zentrum der Öffentlichkeit vorgestellt werden und im Juli kann es dann den regulären Betrieb aufnehmen.

Luxemburger Wort: Ein zweiter Gesetzentwurf, der vor wenigen Tagen im Parlament hinterlegt wurde, soll das Eilverfahren bei der Asylprozedur reformieren. Weshalb wurden diese Änderungen nötig?

Nicolas Schmit: Das Eilverfahren wurde bereits im Asylgesetz von 2006 verankert. Der Gesetzestext schreibt genau die Bedingungen fest, die erfüllt sein müssen, damit ein Eilverfahren eingeleitet werden kann. Damals wurde aber auch festgehalten, dass es kein Rekursrecht gegen die Entscheidung des Ministers, ein Eilverfahren einzuleiten, geben soll. Der Hintergedanke war der, dass es sich nicht länger um ein Schnellverfahren handelt, wenn man dagegen klagen kann und somit das Risiko besteht, dass sich die Prozedur in die Länge zieht. Allerdings hatte der Staatsrat damals seinen Einwand geltend gemacht, was denn auch eine zweite Lesung durch das Parlament erforderlich machte. Bislang wurde das Gesetz immer so ausgelegt, dass man zwar nicht gegen das Eilverfahren an sich Klage einreichen kann. Es entsprach allerdings auch der allgemeinen Lesart, dass im Fall einer Ablehnung eines Asylantrags nicht nur ein Rekursrecht gegen diese Entscheidung besteht, sondern die Frage nach dem Eilverfahren insgesamt aufgeworfen werden kann, auch wenn dies nicht explizit im Gesetz steht. Im Februar 2010 hat das Verwaltungsgericht dann aber entschieden, dass es ein Rekursrecht gegen die Entscheidung des Ministers, über einen Asylantrag im Schnellverfahren zu befinden, geben müsse. Das Gericht wandte sich daraufhin mit der Frage an den Europäischen Gerichtshof, ob die luxemburgische Gesetzgebung mit der EU-Richtlinie in Einklang sei. Der Generalanwalt gibt in seinem Gutachten die Interpretation, auf die wir bislang immer zurückgegriffen haben. Bis der endgültige Beschluss des EuGH vorliegt, wird es voraussichtlich noch fünf bis sechs Monate dauern. Im Normalfall wäre dies kein Problem. Doch im Augenblick sehen wir uns mit einer Welle von Flüchtlingen aus Serbien und Mazedonien konfrontiert, die zum Großteil die Bedingungen des Eilverfahrens erfüllen. Da die Entscheidung des EuGH aber noch anhängig ist, mussten wir schnell handeln, und das Schnellverfahren per Gesetz reformieren.

Luxemburger Wort: Wie sieht die Reform nun aus?

Nicolas Schmit: Das Rekursrecht wird neu geregelt. Jeder Asylbewerber hat künftig ein einziges Rekursrecht, das aber drei Aspekte umfasst: Das Rekursrecht gegen die Tatsache, dass er sich überhaupt in einem Eilverfahren befindet, dann gegen die negative Entscheidung und schließlich das Rekursrecht gegen die Entscheidung, dass er das Land verlassen muss. Der Gesetzentwurf kommt heute im Parlament zur Abstimmung.

Luxemburger Wort: Angesichts der rezenten Flüchtlingswelle gab es in den letzten Wochen Kritik an der Asylpolitik, vor allem aber an der Unterbringung der Asylbewerber...

Nicolas Schmit: Auch wenn sie auf die Aufhebung der Visapflicht zurückzuführen ist, war die Flüchtlingswelle in dem Maß kaum vorhersehbar. Auch andere Länder wurden überrascht. Was die Situation in Bollendorf anbelangt, so will ich darauf hinweisen, dass im Asylbewerberheim in Weilerbach jahrelang 280 Flüchtlinge untergebracht waren, ohne dass es zu nennenswerten Problemen kam. Es ist aber verständlich, dass sich die Einwohner der Gemeinde dagegen wehren, wenn noch einmal 60 Asylbewerber hinzukommen sollen, zumal der Dialog nicht immer optimal verlaufen ist. Ich hätte mir deshalb konkretere Vorschläge von anderen Gemeinden gewünscht. Es trägt nämlich nicht zur Lösung des Problems bei, wenn einige Gemeindeverantwortliche Kritik an der aktuellen Situation äußern, selbst aber keine Verantwortung übernehmen. Ich glaube, es wäre sinnvoll, ein Gremium zu schaffen, das sich mit der Situation auseinandersetzt, wenn es zu weiteren Flüchtlingswellen kommt. Dann können wir uns mit den Gemeinden zusammensetzen, um eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge herbeizuführen. Ich denke da an eine Art Notfallplan, der zumindest die großen Linien festlegt. Übrigens wurde mittlerweile der Syvicol in die Diskussion eingebunden.

Luxemburger Wort: Vor kurzem wurde Serbien als sicheres Land eingestuft. Wann gilt ein Land eigentlich als sicher?

Nicolas Schmit: Was das sichere Herkunftsland anbelangt, muss man wissen, dass Bürger eines Landes, das als sicher eingestuft ist, trotzdem das Recht haben, Asyl zu beantragen. Allerdings unterliegen sie in dem Fall dem Eilverfahren. Es gibt eine Reihe von Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Land als sicher gilt. Im Allgemeinen gilt ein Land als sicher, wenn es dort nicht systematisch zu Verfolgungen, Verhaftungen oder gar zu Folter aus Gründen der politischen oder religiösen Überzeugungen oder aufgrund der Herkunft usw. kommt. Niemandem würde es etwa einfallen, China als sicheres Land einzustufen, auch wenn wir gute Handelsbeziehungen zu China haben. Ich gebe allerdings zu, dass der Begriff des sicheren Herkunftslandes eine sehr heikle Angelegenheit ist. Deshalb haben wir es auch auf europäischer Ebene nie fertig gebracht, eine für die gesamte EU verbindliche Liste festzuschreiben.

Luxemburger Wort: Wie realistisch ist übrigens eine einheitliche europäische Asylpolitik?

Nicolas Schmit: Eine einheitliche europäische Asylpolitik ist nicht von heute auf morgen zu realisieren. Das ist vielmehr ein langwieriger Prozess. Einige Länder wie etwa Griechenland oder zuletzt Italien waren in der Tat mit einem großen Ansturm an Flüchtlingen konfrontiert. Ein wirklich einheitliches Regime wird sich allerdings nur schwer durchsetzen lassen. Wir müssen aber die Errungenschaften bewahren, die wir bislang durchsetzen konnten. Schon dies ist schwierig, weil in vielen Ländern nationalistische Strömungen zu beobachten sind, die das Asylrecht lieber wieder auf nationaler Ebene regeln möchten. Meiner Meinung nach ist dies aber der falsche Weg, denn dann kommt es sehr schnell zu Konflikten mit der Freizügigkeit. Die Frage, die sich stellt, ist, wollen wir Schengen oder nicht. Wenn wir einen Schengen-Raum wollen, brauchen wir gemeinsame Außengrenzen, die wir auch gemeinsam kontrollieren müssen. Und wir brauchen einheitliche Regeln. Der springende Punkt bleibt natürlich die Lastenverteilung. Eine Lösung kann nur mit viel Geduld und Schritt für Schritt erzielt werden.

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