"Das war nicht abgesprochen und ist nicht entschieden". Le ministre du Travail et de l'Emploi Nicolas Schmit au sujet des discussions du Comité de coordination tripartite

Tageblatt: Herr Schmit, gegenüber Radio 100,7 haben Sie erklärt, es gebe diverse Maßnahmen in dem von Luc Frieden präsentierten Sparpaket, an denen noch "gefeilt" werden müsste, um ein besseres "Gleichgewicht" zu erreichen. Welche Maßnahmen haben Sie damit gemeint und was verstehen Sie unter "feilen"?

Nicolas Schmit: "Ich habe vordergründig an die Maßnahmen gedacht, die die Familien direkt betreffen. Sowohl an die 'allocation de rentree scolaire 1 als auch ans Kindergeld, das entsprechend den Plänen von Luc Frieden mit 21 Jahren gestoppt werden soll. Selbstverständlich habe ich aber auch an den Elternurlaub gedacht. Ich habe aber auch all die Dinge gemeint, die über diese Maßnahmen hinaus die Familien belasten würden. Von der Abschaffung des sogenannten 'bellegen Akt' zum Beispiel würden vor allem junge Familien getroffen.

Die Summe dieser Maßnahmen führt dazu, dass vor allem eine Kategorie von Bürgern - vordergründig junge Lohnempfänger mit schulpflichtigen Kindern die Last tragen müsste. Dies ist nicht sozial selektiv. Auch kann man nicht behaupten, nur diejenige Personen, die in den Genuss der 'allocation de vie chere' kommen, sollen von diesen Maßnahmen ausgeschlossen bleiben. Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Denn die Bürger, die nur knapp über dieser Grenze liegen, sind genauso getroffen wie diejenigen, die weit darüber liegen. Die soziale Selektivität wird im ganzen Sparpaket nicht berücksichtigt, nicht respektiert. Aus diesem Grund ist dieses Paket, wenn ich es einzeln betrachte, als solches nicht annehmbar. Und auch wenn ich das Paket in einem Gesamtkonzept im Verhältnis zu anderen Möglichkeiten betrachte, zu anderen Problemen, auch zu anderen Sparmaßnahmen, auch dann ist es sozial nicht ausbalanciert. Nur ein Beispiel, um dies zu illustrieren: Einerseits bestrafen wir Familien mit Kindern, andererseits setzen wir bei der 'Mammerent' nur das Bezugsalter rauf. Wo liegt hier die soziale Selektivität? Eine Frau mit einer guten Rente, die ein Vermögen hat, vielleicht einige Immobilien besitzt und eine 'Mammerent' bekommt, ist das sozial, ist das wirtschaftlich gerechtfertigt? Nein, das ist es absolut nicht.

Vielleicht ist diese Entscheidung emotional gerechtfertigt, aber dieses Argument könnte man ja auch spielen lassen, wenn man von den anderen Familien redet. Aus diesem Grund kann ich das Paket, so wie es präsentiert wurde, beim besten Willen nicht annehmen."

Tageblatt: So, wie Sie sich äußern, klingt das, als ob die Vorschläge von Finanzminister Frieden nicht die Vorschläge der gesamten Regierung wären.

Nicolas Schmit: "All diese Maßnahmen, das will ich betonen, wurden im Ministerrat so nie entschieden. Hierbei handelte es ich immer lediglich um 'Pisten', über die noch diskutiert werden sollte. Zu keinem Zeitpunkt wurden diese Maßnahmen als Paket vom Regierungsrat - und ich denke in diesem Zusammenhang auch besonders an die LSAP-Minister gutgeheißen. Deshalb bin ich auch sehr überrascht, dass aus diesen 'Pisten' auf einmal ein Sparpaket wurde, das als 'a prendre ou a laisser 1 dargestellt wird. Das kann nicht sein."

Tageblatt: Wie würden Sie den Spielraum bewerten, der noch in Bezug auf das von Luc Frieden präsentierte Sparpaket besteht? Der Finanzminister hat ja ausdrücklich betont, dass er "das Sparpaket nicht mehr öffnen" werde ...

Nicolas Schmit: "Um nicht missverstanden zu werden, will ich etwas ganz klar betonen: Ich bin mit den Zielsetzungen einverstanden, wir müssen die Staatsfinanzen mehr oder weniger in der vorgegebenen Zeitspanne wieder ins Gleichgewicht bringen. Damit habe ich kein Problem. Wir dürfen nicht in einen unkontrollierten Verschuldungsprozess kommen, der uns in Zukunft teuer zu stehen käme und unsere Handlungspielräume, um aktive Politik zu betreiben, reduzieren würde. Wir brauchen also ein Paket von Sparmaßnahmen und wir brauchen ein Paket, was die Einnahmen anbelangt. Bei den Einnahmen gibt es denn auch eine Reihe von valablen Ansätzen. Ich muss hier allerdings hinzufügen, dass wir uns derzeit in einem Umfeld befinden, in dem wir vieles noch nicht wissen. Wir befinden uns in einer Ungewissheit, was die wirtschaftliche Entwicklung, was die Konjunktur, was die Steuereinnahmen anbelangt. Wir müssen dieses Element immer in das Ganze einfließen lassen. Und wir müssen das Paket, wie. auch immer dieses am Ende aussehen wird, in einem breiteren ökonomischen Umfeld sehen. Wir haben ein Budget von fast neun Milliarden. Ich bin der Meinung, dass es in diesem Budget Stellen gibt, wo Luft ist, wo man Einsparungen machen kann, die über die 15 Millionen hinausgehen, die bei den laufenden Kosten genannt wurden; Einsparungen, die sich nicht auf eine Gruppe von Personen konzentrieren, Einsparungen, die in ihrer Qualität vom Staat ausgehen. Gleichzeitig muss man in Bezug auf diese Einsparungen aber auch auf die politischen Ziele schauen. Zu diesen Zielen gehört die Ausbildung auf höchstem Niveau. Gleichzeitig würden wir mit dem vorliegenden Maßnahmenpaket all jene voll bestrafen, die studieren wollen. Zumal derzeit keine Vorschläge vorliegen, wie ein mögliches System von Stipendien aussehen würde.

Auch wollen wir - das ist ein weiteres Ziel - wegen der Beschäftigungsquote, ' wegen der Zukunft unserer Rentensysteme die Frauen im Arbeitsprozess halten. Gleichzeitig haben wir aber eine Maßnahme in Bezug auf den Elternurlaub getroffen, die in die entgegengesetzte Richtung geht. Diese und andere Maßnahmen auch passen demnach nicht zu unseren politischen Zielen und müssen entsprechend korrigiert werden. Es muss also ein neues globales Paket definiert werden, das ausgeglichener ist als das, was fälschlicherweise als Paket dargestellt wurde."

Tageblatt: Die Tripartite ist in einer Phase, in der eigentlich die Regierung mit den Sozialpartnern verhandeln soll. Ist das nicht eine unmögliche Situation, wenn jetzt am Tisch die Regierung die Details ihrer eigenen Vorschläge abstimmen muss?

Nicolas Schmit: "Ich bin mir dessen vollkommen bewusst. Ich habe für meinen Teil, was die Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarkts angeht, ein klares Dokument ausgearbeitet, das in der Tripartitc diskutiert wird. Und ich bin auch etwas überrascht, dass das in anderen Bereichen nicht so funktioniert hat. Ich habe nie Unterlagen bekommen. Und auch die Tripartitc hat keine. Das ist eine Arbeitsmethode, die ich etwas komisch finde, die nicht meine ist und von der ich glaube, dass sie auch in der Wirtschaft nicht angewendet wird. Wir treffen hier wichtige Entscheidungen. Wenn man solche Entscheidungen trifft, dann muss das seriös vorbereitet werden, und das ist hier nicht der Fall. Das muss ich ehrlich sagen. Und das geht so auch aus den Unterlagen der Ministerratssitzungen hervor. Das war nicht so abgerundet als Position, um damit als Regierung einheitlich in eine Verhandlungen zu gehen."

Tageblatt: Das heißt, in anderen Worten, dass Luc Frieden vor den Wagen gelaufen ist?

Nicolas Schmit: "Das will ich so nicht sagen. Es hat eine Reihe von Ideen vorgelegt, die uns auch am Tag vorher präsentiert wurden - wir arbeiten alle unter Zeitdruck. Aber es ist ja nicht so, dass wir erst seit gestern über diese Dinge reden, wo ich mich nachher gewundert habe, dass das als Regierungsvorschläge präsentiert wurde. Und als Paket, das ein wenig 'a prendre ou a laisser' sei. So habe ich, und die Kollegen aus der Regierung, die mit dabei waren, das nicht verstanden. Es wurde gesagt, das sind Pisten, da muss man sehen, ob und was geht und was nicht.

Ein Paket, das nicht zu ist und das auch noch vervollständigt werden kann. Und jeder hat die Möglichkeit, da Elemente einzubringen, und dann muss man sehen, wie das als Ganzes ins Gleichgewicht gebracht wird. Dieses Gleichgewicht ist jetzt nicht gegeben. Und ich hoffe, dass wir es schaffen, in der Zeit, die uns noch verbleibt, dieses Gleichgewicht noch da reinzubringen."

Tageblatt: LSAP-Fraktionspräsident Lucien Lux hat am Dienstag, ähnlich wie Sie jetzt, erklärt, dass die LSAP hinter dem Ziel des Sparplans stehe. Dabei hat er auch bemerkt, die Minister, die bei den Gesprächen mit der Partei und der Fraktion dabei waren, würden dahinter stehen. Soweit gewusst, waren Jeannot Krecke und Jean Asselborn nicht dabei. Stehen die LSAP-Minister geschlossen hinter dem Ziel der Sparpläne?

Nicolas Schmit: "Ich habe keinen Grund anzunehmen, wir würden nicht geschlossen hinter den Zielsetzungen stehen, das Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen bis 2014 wiederherzustellen. Und dass dies zum Teil über Einsparungen und zum anderen über Einnahmen erreicht werden soll, unter der Bedingung, dass diese sozial und ökonomisch vernünftig und ausgewogen sind. Ich muss immer wieder hinzufügen, dass wir auch einen Unsicherheitsfaktor in Form der wirtschaftlichen Entwicklung haben."

Tageblatt: Wie muss man sich den weiteren Ablauf jetzt konkret vorstellen. Kommt das Paket im Ministerrat nochmals auf den Tisch?

Nicolas Schmit: "Selbstverständlich. Das ist ja kein abgeschlossener Prozess. Ich habe diesen Kommentar gegenüber Radio 100,7 gemacht, weil ich einfach der Meinung war, dass das nicht das letzte Wort war. Ich war überrascht, als dieser Eindruck vermittelt wurde. Für mich ist das nicht der Fall. Da muss drüber diskutiert werden. Ich meine, das soll in der Regierung geschehen, das soll natürlich auch mit den Partnern in der Tripartitc geschehen. Das ist Verhandlungssache. Und wenn jeder seine Hausaufgaben macht, dann, meine ich, bekommen wir das Ganze wieder ins Gleichgewicht."

Tageblatt: Gibt es für die LSAP eine rote Linie. Oder, anders gefragt, welche Punkte müssten unbedingt geändert werden, damit die LSAP dem Paket zustimmt?

Nicolas Schmit: "Ich habe das nicht im Detail mit meinen Kollegen durchgesehen. Aber es ist klar, die rote Linie liegt im Ungleichgewicht des Gesamtpakets. Wir haben praktisch 250 bis 300 Millionen, die hauptsächlich auf einer Gruppe von Personen - Lohnangestellte mit Kindern - lasten. Das ist das Gros der Einsparungen, die gemacht werden sollen. Ich meine nicht, dass das die richtige Herangehensweise ist."

Tageblatt: Wenn Sie Gleichgewicht sagen, gehört dazu auch, dass die Banken einen Beitrag leisten müssen?

Nicolas Schmit: "Sicher ist das auch ein Element von einem Paket. Wobei man natürlich immer auch die Konsequenzen abwägen muss."

Tageblatt: Auch Luc Frieden ist für ejne Bankensteuer, aber nur wenn diese auf europäischer Ebene beschlossen wird. Lucien Lux hat am Dienstag gesagt, Luxemburg müsse nachziehen, wenn Deutschland und Frankreich eine solche, wahrscheinlich ab 2011, einführen ...

Nicolas Schmit: "Ich habe gelesen, dass die Schweiz über gewisse steuerliche Maßnahmen im Bankenbereich nachdenkt. Wenn man weiß, wie lange man in der EU 27 manchmal verhandeln muss, dann meine ich - mit Bedauern -, dass man das nicht allein in diesem Rahmen sehen sollte. Wenn eine Reihe von wichtigen Nachbarländern und Länder wie die Schweiz oder die USA, wo das auch diskutiert wird, in diese Richtung gehen, sehe ich nicht, warum Luxemburg nicht auch in die gleiche Richtung gehen könnte."

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