„Wir müssen den Konsens erhalten", Nicolas Schmit au sujet de au sujet de la politique d'asile

Luxemburger Wort: Wie bewerten Sie die Situation der Flüchtlinge in Luxemburg?

Nicolas Schmit: In den vergangenen Monaten ist die Flüchtlingszahl nicht extrem gestiegen. Wir haben seit 2006 eine konstante Zahl von jährlich ungefähr 450 bis 500 Asylbewerbern. Dafür gibt es Prozeduren, und die nehmen wir natürlich extrem ernst, weil das Recht auf Asyl eine extrem ernste Angelegenheit ist - gerade in einem kleinen europäischen Land wie Luxemburg, auch aus historischer Erfahrung.

Luxemburger Wort: Wie stehen Sie zu Kritik des Hohen Flüchtlingskommissariats der UN (UNHCR) an der Situation in Luxemburg?

Nicolas Schmit: Es gibt eine gemeinsame Studie des UNHCR und des Verwaltungstribunals darüber, wie Luxemburger Gerichte Asylverfahren behandeln. Dessen Schlussfolgerungen sind in der Tat nicht angenommen worden. Aber dies läuft zwischen dem UNHCR und der für Asylfälle zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mehr als ein Drittel der Fälle der Verwaltungsgerichte betreffen das Immigrations- oder Asylrecht. Es ist für diese Gerichte eine Herausforderung, all diese Streitsachen zu meistern. Denn die Appelle haben sich vervielfacht. Dies stellt natürlich auch eine Herausforderung für das Ministerium dar, das jedesmal vor Gericht Rede und Antwort stehen muss. Ich habe aber keine deutliche Verstärkung des Personals bekommen. Wir sind für Rechtsschutz und die Chance eines jeden, seine Rechte geltend zu machen, aber hier wird ein juristischer Kampf geführt, welcher der Sache nicht immer dienlich ist.

Luxemburger Wort: Unlängst wurde eine Gruppe von 22 serbischen Flüchtlingen ins Kosovo zurückgeführt, parallel dazu wurden irakische Flüchtlinge aufgenommen. Wie passt das zusammen?

Nicolas Schmit: Da ist absolut kein Widerspruch. Das zeigt, wie ernst wir die Gesetze nehmen. Die Menschen, die in das Kosovo zurückgeschickt wurden, sind durch sämtliche Instanzen und Prozeduren gegangen, aber nicht als Flüchtlinge anerkannt worden. Auch droht diesen Leuten im Kosovo keine Gefahr, auch wenn die Lage im Kosovo für die Mehrheit der Menschen wirtschaftlich schwierig ist. Wir setzen auf einen multi-ethnischen Kosovo, wir wollen die Tragik überwinden. Es kann deshalb nicht sein, dass systematisch jeder, der aus dem Kosovo hierher kommt, automatisch als Flüchtling anerkannt wird und bleiben kann. Umgekehrt geht es bei den Flüchtlingen aus dem Irak - es sind hauptsächlich, aber nicht nur Christen- um Leben und Tod. Seit 2004 gab es praktisch keinen größeren Zwischenfall mehr im Kosovo, bei dem das Leben von Menschen fundamental auf dem Spiel stand. Dies ist im Irak anders. Hier gibt es Gruppen - u. a. Christen, aber nicht nur -, deren Leben gefährdet ist und die schon seit Jahren in Lagern leben, wo die Bedingungen unvorstellbar sind. Das ist die Logik des Rechts auf Asyl: Jene, die Schutz brauchen, müssen es erhalten. Umgekehrt muss es möglich sein, jene zurückzuschicken, die nicht unbedingt eines Schutzes bedürfen. Asyl ist nicht eine andere Form von Einwanderung. Deshalb muss man beide auch klar auseinander halten. Es gibt also absolut keinen Widerspruch, es liegt in der Logik selbst eines aktiven Asylrechts.

Luxemburger Wort: Sie haben die Portefeuilles Immigration und Asyl sowie Arbeit und Beschäftigung in der Regierung übernommen. Muss es da nicht zu Interessenskonflikten kommen?

Nicolas Schmit: Erstens: Sicher werden wir nie jemandem den Status eines Flüchtlings vorenthaltenen, weil hier die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Die beiden Sachen haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Das Recht auf Asyl besteht unabhängig von der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Zweitens: Da ich die Ressorts Immigration und Arbeit innehabe, kann ich natürlich verschiedene Sachen vereinfachen. Wir sind dabei, die Prozeduren zu beschleunigen, die es einem Asylbewerber erlauben, eine Arbeit aufzunehmen. Hier gibt es zu viele Blockaden, das dauert viel zu lang, das können wir verbessern. Ich ziehe also Vorteile aus dem Doppelportefeuille. Drittens: Immigration ist generell auch ein Wirtschaftsfaktor. Deshalb sage ich ja, wir müssen Immigration von Asyl trennen. Asyl ist etwas ganz anderes, es ist hauptsächlich politisch. Wenn wir über Immigration reden, sind wir in einer Domäne, die - nicht nur und nicht immer, aber oft - ganz wirtschaftlich ist. Menschen wandern aus, um eine Arbeit und bessere Lebensbedingungen zu finden, weil sie glauben, dass der Arbeitsmarkt sie aufnehmen kann. Das war ja auch lange der Fall, das ist jetzt schwerer geworden. Deshalb können wir jetzt nicht automatisch die Türen für eine Wirtschaftseinwanderung offen halten, wo wir den Leuten nichts anbieten können. Wir brauchen also schon eine gewisse Steuerung, was die Wirtschaftsimmigration anbelangt. Aber das hat nichts mit Asylpolitik zu tun. Niemand wird als Asylbewerber abgelehnt, etwa weil wir fürchten, er stünde morgen auf dem Arbeitsmarkt. Wer den Status eines anerkannten Asylbewerbers hat, besitzt die gleichen Rechte wie ein Luxemburger oder ein EU-Ausländer. Das steht nicht zu Disposition, das verlangt die Genfer Konvention, und da sehe ich als Arbeitsminister nicht das geringste Problem.

Luxemburger Wort: Ist eine nationale Flüchtlingspolitik in der EU überhaupt noch möglich angesichts der Furcht vieler Mitgliedsstaaten, mit einer liberalen Asylpraxis Flüchtlinge anzuziehen?

Nicolas Schmit: Das ist die berühmte Frage ... Im "grenzenlosen" Schengen-Raum, sprich im größten Teil der Europäischen Union, gibt es das Phänomen des "Asyl-Shopping": Jene Länder, die etwas offener sind, ziehen mehr Asylbewerber an als die weniger offenen. Sicher ist eine stärkere europäische Dimension nötig. Wir müssen unsere Prozeduren und Gesetzgebungen noch weiter einander annähern. Wir müssen vor allem die Asylpolitik in der Praxis vereinheitlichen. Es geht nicht, dass jemand, der aus dem Land X kommt, in einem EU-Land praktisch sicher Asyl erhält, während derselbe in einem anderen EU-Land abgelehnt wird. Die EU-Kommission plant, die Gesetzgebungen weiter zu harmonisieren, über ein EU-Unterstützungsbüro für Asylfragen Informationen besser zirkulieren zu lassen sowie die Asylpraxis und Asylverfahren anzugleichen. Als Luxemburger sind wir natürlich dafür. In weiterer Ferne steht die Frage, wo EU-Büros entstehen könnten, welche die Anträge behandeln, und wie die Menschen anschließend unter den EU-Ländern aufgeteilt werden.

Luxemburger Wort: Wie steht es mit der Lastenverteilung zwischen den EU-Staaten?

Nicolas Schmit: "Bürden sharing" ist eine ganz heikle Frage. Wir sehen dies auf Malta, das aufgrund seiner geografischen Lage in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Asylbewerbern aufgenommen hat. Dort haben sie jetzt die gleichen Zahlen wie wir in den 1990er-Jahren zu Zeiten der Balkan-Kriege. Damals hatten wir auch Probleme, dies organisatorisch zu bewältigen. In Malta ist die Lage noch komplexer, weil es eine Insel ist. Es ist eine Frage von Solidarität zwischen EU-Ländern. Wir als Luxemburger beteiligen uns nun an einer Solidaritätsaktion, einem Pilotprojekt mit Malta. So sind wir bereit, einige Flüchtlinge aus Malta zu übernehmen. Das löst das Problem der Malteser nicht, aber es zeigt zumindest, dass in Europa mehr Solidarität nötig ist.

Luxemburger Wort: Was geschieht mit Asylbewerbern, deren Antrag abgelehnt wurde, die aber nicht zurückgehen können?

Nicolas Schmit: Es gibt nur eine Antwort, nämlich, dass wir sie trotzdem regularisieren. Wir haben das ja schon einmal getan. Zwischen 2005 und 2009 haben wir rund 800 Menschen regularisiert. Das waren Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigungen bzw. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt worden war und wo eine Rückkehr nicht möglich war. Da gibt es letztlich keine andere Möglichkeit als sie zu regularisieren. Damit wir dies machen können, müssen natürlich auch diejenigen zurückgeschickt werden, die keiner Gefahr ausgesetzt sind - soweit dies möglich ist. Anderenfalls bekommen wir das Problem nicht in den Griff. Ich sage das nicht gern, aber auch hier in Luxemburg gibt es eine Grenze, was die Aufnahmefähigkeit anbelangt. Ich weiß nicht, wo die Grenze ist, aber wir dürfen sie nicht überschreiten. Schon gar nicht in Krisenzeiten. Wir müssen aufpassen, dass wir den Konsens erhalten, der in Luxemburg besteht, ein großzügiges, offenes Land zu sein. Das gelingt nur, wenn man eine vernünftige Politik macht. Hier hat halt die Politik Vorrang vor Gefühlen. Aber es muss immer auf eine Art geschehen, dass kein Mensch einem unzumutbaren Risiko ausgesetzt ist.

Luxemburger Wort: Was ist mit jenen, die durch das Raster fallen? Droht bei uns eine Parallelgesellschaft zu entstehen?

Nicolas Schmit: Illegalität ist etwas Gefährliches, und wir können das nicht einfach akzeptieren. Es ist nicht die Person, die illegal auf dem Territorium ist, die eine Gefahr darstellt, es ist die Parallelgesellschaft, in der sie gezwungenermaßen lebt. Es ist auch ein Problem der sozialen Kohäsion. Wir können nicht eine legale Sphäre haben, wo die Menschen sich wohlfühlen, während andere Leute sich verstecken und immer Angst haben müssen, wenn sie auf die Straße gehen. Diese Situation ist inakzeptabel. Für einige, nicht für alle, ist eine Regularisierung daher die einzige Lösung.

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